Sonnenuhren, Apotheken und ein Nackedei

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Fluss, dem Bacchus duftet auf weinbewachsnen Höhen, Fluss, dem anmutsvoll grünt das früchtereiche Gestade! ... Und Dein reines Getränk übertrifft den kühlenden Waldquell …

(“Mosella”, Decimus Magnus Ausonius, 375 n. Chr.)

So, nach Main und Rhein nun aber endlich auf zur Mosel.

Besonders interessant finde ich hier, dass sowohl die Mosel, als auch ihre beiden Zuflüsse, die weintechnisch meist in einem Atemzug mit ihr genannt werden, weiblich sind. Die Mosel, die Saar, die Ruwer. Und tatsächlich würde ich die Mosel, mit ihren zahllosen Kurven, ihren wenn auch steilen, so doch weich anmutenden Hängen, mit ihrer lieblichen Landschaft als einen weiblichen Fluss ansehen. In jedem Fall ein klarer Gegensatz zur mächtigen Wucht des Rheins und zur virilen Nonchalance des Mains.

Zunächst aber auch hier einige wenige Fakten: Die Mosel entspringt in Frankreich, genauer gesagt in den Vogesen, ca. 50 km Luftlinie südwestlich von Colmar, am Pass Col de Bussang, der im Nationalpark der Belchen liegt.  Hinter diesem merkwürdigen Begriff verbirgt sich ein Nationalpark in den Hochvogesen, der sich durch von vorzeitlichen Gletscherbewegungen  abgeschliffene Bergkuppen auszeichnet – diese werden auf deutsch Belchen, auf Französisch „Ballons“ genannt.

Sie fließt sodann durch Lothringen, macht einen Bogen um Nancy – warum auch immer – fließt dann nordwärts über Metz, bildet die Grenze zwischen Luxemburg und Deutschland und erreicht dann die alte Römerstadt Augusta Treverorum, das heutige Trier, bevor sie nach einer im Vergleich zum Rhein relativ kurzen Fließstrecke von 544 Kilometern bei Koblenz in den Mittelrhein mündet.

Schaut man sich den Verlauf auf einer Landkarte an, beeindruckt die Mosel vor allem mit ihrem ausgesprochen windungsreichen Verlauf, ganz besonders stark zwischen Konz und Cochem.

Die Saar stößt, aus Richtung Elsass kommend, bei Konz in die Mosel, sie ist mit über 200 Kilometern der längste Zufluss; die kleine, nur 48 Kilometer lange Ruwer kommt aus dem Hunsrück und fließt bei Trier der Mosel zu.

Namen sind Schall und Rauch – oder nicht?

Trier, die alte Römerstadt und älteste Stadt – im rechtlichen Sinne – Deutschlands, ist vor allem bekannt für die erstaunlich gut erhaltenen Römerbauten wie die Porta Nigra, die Kaiser- und Barbara-Thermen, aber auch für den romanischen Dom. Trier ist aber auch der Sitz des Weingutes „Bischöfliche Weingüter Trier“, tatsächlich hervorgegangen aus dem Eigentum des bischöflichen Konvikts und im Besitz von Parzellen in den schönsten Steillagen des Moselgebietes, darunter mein Liebling: das Kaseler Nieschen (Ruwer).

Hier möchte ich gleich zu einer bemerkenswerten Besonderheit der Moselweine kommen: die sprechenden, erheiternden Namen der Lagen. An Rhein und Main gibt es eher geografisch oder landwirtschaftlich begründete Lagen-Namen, wie z. B. Erbacher Marcobrunn, Hattenheimer Nussbrunnen, Kiedricher Gräfenberg oder Würzburger Stein und Abtsleite, höchstens der Escherndorfer Lump lädt zum Schmunzeln ein

An der Mosel aber – hier wird es tatsächlich unterhaltsam: das Erdener Treppchen, die Trittenheimer Apotheke, das Piesporter Goldtröpfchen, der Ürziger Würzgarten, die Wehlener Sonnenuhr, das Graacher Himmelreich, mein Kaseler Nieschen – und nicht zuletzt, der vielzitierte und die Flaschen-Etiketten zierende Kröver Nacktarsch.

In den Weinbergen stehen übrigens große, weiße Schriftzüge mit ihren Namen, damit der interessierte Reisende sogleich weiß, welche Rebstöcke dem Nacktarsch sein unvergleichliches Aroma und dem Goldtröpfchen die schöne Farbe geben.

Die Örtchen entlang der Mosel sind klein und überwiegend touristisch adrett; manche, die etwas abseits liegen, wirken ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Touristisch erschlossen sind sie aber durchweg alle.

Steile Hänge soweit das Auge reicht

Die Weinberge rechts und links der Mosel nun zeichnen sich nicht nur durch ihre ausgefallenen Namen aus, sondern vor allem durch ihre Steilheit, wenngleich die Hänge, im Vergleich zum Mittelrhein, wie schon weiter oben erwähnt, eigentlich sehr lieblich und anmutig einladend aussehen. Der Bacharacher Hahn am Mittelrhein, den ich hier beschreibe, war schon sehr steil, aber die Mosel-Steillagen übertreffen ihn bei weitem.

Sieht man zum Beispiel das Erdener Treppchen vom gegenüberliegenden Ufer wird einem Angst und Bange; mit Maschinen zu arbeiten ist hier kaum, oder nur mit sehr speziellem Gerät, möglich. Um hier überhaupt arbeiten zu können, sind die Abhänge oftmals terrassenförmig unterteilt worden. Der östliche Bereich trägt deshalb den Namen Terrassenmosel.

Der steilste unter diesen Weinbergen und mit einer Neigung von 68° gemeinsam mit dem Engelsfelsen im Bühlertal der steilste Weinberg Europas ist der Bremmer Calmont.

Und hier arbeitet unter anderem auch einer der modernen, jungen Winzer von der Mosel, die ich sehr schätze, weil sie ehrliche, terroirbetonte Weine herstellen, die es so nirgendwo anders geben kann. Kilian Franzen gibt dem Bremmer Calmont mit seinen Lagenweinen liebevoll ein Gesicht, obwohl dieser seinem Vater zum Verhängnis wurde (wer mehr wissen möchte, findet hier Informationen). Unbedingt probieren!

Terroir im Treppchen

Das Wort Terroir habe ich hier bisher noch nicht verwendet: Dies bedeutet, ganz vereinfacht gesagt, dass der Wein nach dem Boden schmeckt, in den die Rebe ihre Wurzeln ausstreckt. Besonders frappierend ist das in Burgund, denn hier schmeckt der Rotwein aus z. B. der Lage Taillepieds in Volnay gänzlich anders als der aus der nur knappe fünfzige Meter weiter westliche liegenden Lage Clos des Chênes. Wenn denn der Winzer das so möchte. Natürlich gibt es auch hier Möglichkeiten, den Wein so schmecken zu lassen, dass er allgefällig erscheint.

Der Begriff Terroir im Weinbau ist tatsächlich ein weites Feld und immer wieder Thema für raumgreifende Diskussionen. Ich ziehe es in jedem Fall vor, dem Wein das Land „anzuschmecken“. Das ist in Burgund der Blut- und Boden-Ton der Rotweine, aus dem man meint, die blutbefleckte Rüstung Karls des Kühnen herauszuschmecken, an der Mosel sind es die bunten Schiefer und die blumig-kräuterige Flora, die man im Herzen der Weine findet.

Sehr kluge und entspannte Ausführungen zur Thematik Terroir findet man bei Reinhard Löwenstein (Weingut Heymann Löwenstein, Winningen), es gibt recht viele, hochspannende Interviews mit ihm dazu zu finden (z. B. hier) – wobei dies nicht das persönliche Gespräch mit diesem Mosel-Vollblutwinzer voller Charme alten Stils ersetzen kann. Auf der Website des Weingutes gibt es übrigens auch Musik zu erleben, die die Geräusche des gärenden Löwensteinschen Weines im Fass beinhaltet, sehr inspirierend!

Aber genug vom Terroir, gehen wir weiter zum nächsten jungen Winzer, der u. a. in Erden das Treppchen bewirtschaftet und dessen schmelzige, restsüße Weine mich vor allem faszinieren: Kilian Schmitges, der seinem Vater bereits in die Fußstapfen gefolgt ist und seine schönen Weine mit großer Energie in die Welt hinausträgt.

Tradition und Geschichten

Selbstverständlich gibt es hier aber natürlich auch alt eingessenene Winzer, die wunderbare Weine schaffen, sei es nun der unermüdliche Ernie Loosen (Weingut Dr. Loosen) aus Bernkastel-Kues, der jedem Weinliebhaber ein Begriff ist und dessen lockiges Haupt man das Gefühl hat, an mindestens drei Orten gleichzeitig zu sehen, immer eine Unzahl von höchst erquicklichen Geschichten und die eine oder andere Spezial-Flasche im Gepäck. Ich sage nur: Prälat.

Sehr traditionell und mit aristokratischer Eleganz: die Weine des Weingutes Villa Hüsgen im sehenswerten Traben-Trarbach; spontan vergoren und saftig köstlich: die Weine des Gutes Immich-Batterieberg in Enkirch; im restsüßen Bereich sind es vor allem die großartigen Rieslinge des Weingutes Haart in Piesport, die mich begeistern.

Immer, wirklich immer einen Besuch wert ist das Weingut Clemens Busch in Pünderich; die Weine seiner Lage Pündericher Marienburg sind dominiert vom dortigen grauen Schiefer, er produziert aber auch Weine vom blauen (schlank, elegant und strahlend) und roten Schiefer (weich, lasziv und entspannt). Trifft man den formidablen Meister höchstselbst an, wird die Weinverkostung ein unvergessliches Erlebnis.

Sehr speziell, grandios und meist sofort an ihrer ganz eigenen Note erkennbar, sind die (ebenfalls) spontanvergorenen Weine von Markus Molitor aus Wehlen – wenn man diese Weine nicht probiert hat, fehlt ein sehr wichtiger Aspekt der Mosel.

Zu unserem heutigen Gericht – Tatar vom Lachs, Rezept weiter unten – gibt es wiederum einen Riesling des Weingutes Grans-Fassian, Meister der exotisch-fruchtigen Eleganz, der mit einer leicht gereiften Trittenheimer Apotheke aus 2014 brilliert.

Saar und Ruwer – klein, aber fein

Kommen wir aber noch kurz zu Saar und Ruwer: Vom Ruwer Kaseler Nieschen, auf das mich der geliebte Gatte an meinem Geburtstag bei achtunddreissig Grad im Schatten (den es allerdings nicht gab) führte, sieht man gegenüber ein schlossartiges Gebäude inmitten von sanften Hügeln: das Weingut Maximin Grünhaus – hier sind wieder besonders die restsüßen Weine ein absoluter Traum.

An der Saar nun kann man, sofern man die Mittel besitzt, den Romanée Conti Deutschlands erwerben: eine (!) Flasche des berühmten Scharzhofberger (Trockenbeerenauslese 2003) von Egon Müller in Wiltingen erzielte 12.000 Euro bei einer Versteigerung.  So viel muss man nicht ausgeben, für knapp 40 Euro bekommt man den 2018er Kabinett, und das sollte man einfach probiert haben. Das Understatement des Weinbergs und des Winzers täuschen: Im Wein kulminieren die saartypischen Aromen von salziger Mineralik und hellen Früchten wie Birne, Apfel, Aprikose sowie die Zitrusnoten Limette und Grapefruit.

Nicht vorbei – und ich verkneife mir jetzt jeden weiteren Hinweis auf seine äußere Erscheinung – kommt man an der Saar an dem umtriebigen Brauerei-Spross Roman Niewodniczanski und seinem Weingut „Van Volxem“ in Wiltingen, hier gibt es ebenfalls einen Scharzhofberger zu bestaunen, aber auch die „einfachen“ Weine sind sehr saftig und mineralisch köstlich.

Gespannt darf man sein auf die Kooperation von Markus Molitor und Roman Niewodniczanski, die gemeinsam den verlassenen Weinberg Geisberg hinter Ockfen rekultiviert haben – vor sechzig, siebzig Jahren eine ebensolche Hausnumer wie der Ockfener Bockstein – lag er aus unerfindlichen Gründen lange brach. Nun erwacht er wieder zum Leben und wird uns hoffentlich bald im Glas leuchten.

Joie de Vivre – feiern wir das Leben gemeinsam

Bei aller Konkurrenz zeichnet meines Erachtens ein kräftiges An-einem-Strang-Ziehen die geschäftigen Mosel-Winzer mehr als andere aus, wenn es darum geht, Botschafter ihres Weines zu sein. Eine Vielzahl von gemeinsam organisierten Veranstaltungen zieht sich durch den Moselsommer- und Herbst, überall und ständig finden kleine Weinfeste statt, in Kröv gibt es sogar einen Weinbrunnen, in Bernkastel-Kues kann man in einem weitläufigen Keller für einen kleinen Obolus hunderte von Weinen verkosten, entsprechend blendend ist die Stimmung im dunklen Gelass.

Die herausragendste Veranstaltung ist sicherlich die große Verkostung „Mythos Mosel“, die in jedem Jahr einen anderen Teil der Mosel vorstellt – hier kann man drei lange und doch viel zu kurze Tage mit Shuttle-Bussen die Orte und Winzer besuchen, die ihre Weine miteinander präsentieren, entweder im eigenen Weingut oder als Gast bei einem anderen, es ist unglaublich viel los, es gibt Musik, Feiern, Essen, Gespräche, Lachen – ganz wunderbar. Neben dem offiziellen Programm gibt es natürlich noch ein Inoffizielles, hier muss man Augen und Ohren offen halten und hat dann z. B. das Glück, einer Verkostung von alten Jahrgängen ab 1975 beiwohnen zu dürfen. Hoffen wir, dass dies alles 2021 wieder möglich sein wird.

Den allerschönsten Blick auf Mosel und Weinberge hat man übrigens von der Burgruine Landshut aus, die hoch über Bernkastel-Kues thront, hier kann man stundenlang – natürlich am besten bei einem Glas Riesling – sitzen und beobachten, wie sich der Himmel im Fluß spiegelt und Wolken und Sonne ihr Licht- und Schattenspiel über die Weinberge schicken.

Der weiche, schieferig-blütig-fruchtige Mosel-Wein passt vor allem zu exotisch-würzigem, so kann man ihn z. B. wunderbar zu asiatischem Essen trinken (z. B. zu chinesischem rotgekochtem Fleisch oder zu japanischen Teryiaki Spießchen), zu Kartoffel-Gerichten (Gratin) oder zart aromatischem Geflügel.

Wir haben hier einen Tatar aus frischem Lachs mit Avocado und Ingwer gereicht, der perfekt zur „Apotheke“ (Ein sogenanntes Großes Gewächs nach der VDP Klassifikation) von Grans Fassian war.

Lachs-Tatar mit Avocado

Lachs-Tatar mit Avocado

Gang: AllgemeinKüche: EuropäischSchwierigkeit: Einfach
Personen

2

Personen
Vorbereitungszeit

30

Minuten
Kochzeit

20

Minuten

Zutaten

  • 400 g sehr frisches Lachsfilet, roh (unbedingt daruf achten, dass es sich um Sushi-Qualität handelt)

  • 1 – 2 (je nach Geschmack) Avocado, reif

  • 1 kleines Stück (ca. daumengroß) Ingwer

  • 2 Frühlingszwiebeln

  • Schnittlauch, 1 Bund

  • Sojasauce, Ume Su Sauce (wenn man mag), Salz, Pfeffer

  • Saft von einer frischen Limette und, falls Schale zum Verzehr geeignet, etwas Abrieb (ca. 1 TL)

  • 1 Knoblauchzehe

  • Olivenöl

  • Etwas Zucker

Zubereitung

  • Lachs mit in Scheiben geschnittenem Knoblauch, einer Prise Zucker, Salz und Pfeffer einreiben und mindestens 30 Minuten ziehen lassen
  • Lachs in kleine Würfel schneiden, Avocado ebenfalls, in eine Schüssel geben
  • 2 TL Limettensaft (und ggf. den Abrieb) dazugeben
  • Mit Olivenöl, Ingwer, Frühlingszwiebeln vermischen, nach Geschmack Sojasauce und/oder Ume Su dazugeben, mit Salz und Pfeffer abschmecken (wer mag, kann auch etwas Tabasco dazugeben)
  • Mit Schnittlauchröllchen und einer Scheibe Limette servieren