Frank muss es sein.
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Pandemie-Urlaub: Wir trotzen Corona-Viren und Covid19-ante portas und wollten gerne Urlaub machen, dabei aber weder fliegen, noch eine potenzielle Quarantäne-Auflage in Kauf nehmen.
So beschlossen wir: Es wird dieses Mal ein Urlaub in Deutschland, jenseits von Nord- oder Ostsee, und es sollte etwas sein, was wir noch nicht gut kennen.
Unsere Liebe zu Frankreich ist hier ja bekannt und es gibt auch hierzulande ein Fleckchen Erde, das das „Frank“ im Namen trägt: Franken. Und Wein gibt es dort noch dazu, wenn auch meist in Flaschen, deren Name gewöhnungsbedürftig ist, der aber den Kern der Sache trifft: Bocksbeutel. Nun ja, schauen Sie sich die Flasche an und einen älteren Ziegenbock von hinten … ich sage nur: cojones, Baby.
Würzburg, die neben Nürnberg wohl bekannteste Stadt Frankens, kannten wir bereits, die prächtige fürstbischöfliche Residenz mit dem zauberhaften Fresko von Giovanni Battista Tiepolo haben wir bereits des öfteren bewundert, und die berühmte Weinlage „Würzburger Stein“ war uns auch nicht unbekannt.
Schleifen, Vögel und Lumpen
Wir schauten also in dieser Gegend nach einer Ferienwohnung und wurden in Volkach an der Mainschleife fündig. Da wir mit dem Auto unterwegs waren, und die erste Nacht gerne entspannt, mit einem schönen Abendessen, in einem Hotel verbringen wollten, buchten wir im wunderschönen Hotel Vogelsburg, hoch über der Mainschleife gelegen, mit wunderbarem Blick auf Nordheim, die Weininsel, Escherndorf und weit über die Weinberge.
Nachmittags angekommen, verbrachten wir den frühen Abend auf der Terrasse des Hotels und hier gab es bereits ein kleines, aber gehaltvolles kulinarisches Highlight, das uns völlig überrascht hat: Kochkäse.
Schmelz in Wein und Käse
Spundekäs und Obazda sind uns als Wein- bzw. Bierbegleiter geläufig, Kochkäse hingegen hielt ich immer für eine Art Schmelzkäse zum Kochen. Nun, geschmolzen wird hier in der Tat und gekocht wird das Geschmolzene auch: nämlich Harzer Roller mit Butter, Sahne und Quark. Wenn man mag, gibt man Kümmel hinzu. Damit das Ganze trotz des hohen Fettgehaltes (wer hier schon Schnappatmung bekommt: Es muss nicht der 40%ige Quark sein) eine leichte Textur erhält, wird noch etwas Natron hineingemischt. Selbst gemacht, mit guten Zutaten, ist das der Himmel auf der Zunge. Und tatsächlich ganz köstlich zum fränkischen Silvaner, mit seiner leichten, süßlich-butterigen Mandelnote im Abgang. Der Kochkäse, den man im Döschen kaufen kann, ist leider sehr weit entfernt von der frischen Variante und sollte lieber im Kühlregal bleiben.
Kochkäse ist perfekt für eine Brotzeit, ist schnell gemacht (muss allerdings über Nacht im Kühlschrank vor sich hinziehen und vermehrt sich dort auch …) und überrascht mit seiner, wenn auch rustikalen, Geschmacksfülle. Ein einfaches Rezept gibt es unten. Neben dem Silvaner passt natürlich auch einfach ein kühles Bier ganz grossartig dazu.
Pilgern und Schultern
Mit vollem Magen am nächsten Morgen weiter: Wir packen unsere Maultäschle (die örtliche Version von Mund-Nasen-Schutz; für zukünftige Leser: Wir leben noch immer in einer Pandemie, ausgelöst durch ein unfreundliches Corona-Virus) und bezogen unsere Ferienwohnung in einem alten Häuschen in der Altstadt von Volkach. Ein sehr hübsches, kleines Örtchen mit Fachwerk, Weinstuben, Restaurants, Bächen, Brücken, einem Schiffsanleger für Mainfahrten und einem Meisterwerk von Tilman Riemenschneider in der kleinen Pilgerkirche „Maria im Weinberg“.
Kulinarisch hier überall präsent: das Schäufele, die fränkische Version von Schweinshaxe, Stelzen, Haxn. Allerdings aus der Schweineschulter. Ich muss hier mit einer Beschreibung allerdings leider passen, denn das haben wir nicht probiert. Das überall sehr präsente Embonpoint deutete schon zart an, dass dieses Essen sehr gehaltvoll ist und unsere Kalorienbilanz war bereits vom Kochkäse schwer auf der Haben-Seite. Es scheint aber jedenfalls gut zu munden, wenn man dem Anblick trauen darf. Beim nächsten Mal, das es gewiss geben wird, wird aber ein Schülterchen mein. Hier gibt es das Referenz-Schäufele.
Tiepolo und die Schlösser des Fürstbischofs
Bevor ich noch ein paar Worte zum fränkischen Wein schreibe, sei unbedingt noch einmal die Würzburger Residenz erwähnt: Das großformatige Fresko (667 Quadratmeter, damit das größte zusammenhängende Fresko der Welt) im Treppenhaus, gemalt von Giovanni Battista Tiepolo Mitte des Achtzehnten Jahrhunderts, stellt allegorische Figuren der vier Kontinente dar; die Farbgestaltung, der typische Tiepolo-Akkord von Himmelblau, blassrosa, goldgelb und zartem Flieder, köstlich, der Aufbau, die Figuren, die Spannung – ein großes Kunstwerk, das man stundenlang betrachten kann. Aber auch die anderen Räume der Residenz, erbaut von Balthasar Neumann, sind erhebend, ebenso die Hofkirche und der wundervolle Garten. Und wenn wir schon bei Schlössern sind: Selbstverständlich mochte der Fürstbischof im Sommer nicht in der stickigen Stadt bleiben: So ließ er zehn Kilometer außerhalb von Würzburg, in Veitshöchheim, ein Kleinod der Sommerfrische bauen. Hier besticht ein schöner, großzügiger Garten mit Skulpturen, ausgeklügelten Sichtachsen und Wasserspielen.
Wein, Boden und Aroma
Nun aber zum Wein: Im Gegensatz zu Rhein und Mosel ist der Boden hier sehr viel fetter, lehmiger, weniger mineralisch. Zwar gab es auch hier vor mehr als 240 Millionen Jahren ein Meer, das Trias-Meer, das ein Muschelkalk-Sediment im Boden entstehen ließ, der größte Teil des Bodens, aus dem die Wurzeln die Lebenskraft der Reben ziehen, besteht aber aus dem sogenannten Keuper, einem Sediment aus bröckelig-lehmigem Buntsandstein, der für die fett-würzigen Aromen im Wein steht.
Bereits im achten Jahrhundert wurde in Mainfranken Wein angebaut, vorzugsweise von Klöstern – man denke hier vor allem an den Messwein. Mit unglaublichen 40.000 Hektar war Franken im Mittelalter das größte Weinanbaugebiet des Heiligen Römischen Reiches nördlich der Alpen. Dies war viel mehr als z. B. an Mosel oder Rhein; heutzutage sind es etwas mehr als 6.000 Hektar.
Die am häufigsten angebaute Rebsorte ist der bereits erwähnte Silvaner, der kräftige Winterfröste und heiße, trockene Sommer nicht nur gut verkraften kann, sondern davon profitiert. Der Geschmack ist fruchtig-krautig, mit einem cremigen Abgang. Ein traditioneller Essensbegleiter, der zu allem passt, was das Land so hergibt und der sogar vor Sauerkraut und Würstel nicht in die Knie geht. Die großen Lagen Würzburger Stein, Abtsleite, Innere Leiste ergeben sehr schöne, dichte Weine, die nicht nur sehr gut zur herzhaften, örtlichen Küche passen, sondern auch ein schöner Begleiter in der Haute Cuisine sind. Sehr populär ist die Lage „Escherndorfer Lump“, direkt in der Mainschleife gelegen, im Sommer den ganzen Tag lang der glühenden Sonne ausgesetzt, ein robuster, etwas derber Geselle in Arbeitshosen, der ganz sicher den örtlichen Dialekt spricht.
Irritierenderweise findet man hier aber auch Silvaner, z. B. aus der Lage Hallburg, der weniger weiche Frucht, dafür mehr Mineralität besitzt und den ich ganz großartig finde – fairerweise muss ich dazu sagen, dass dieser Wein von einem Winzer produziert wird, der eigentlich für den Rheingau bekannt ist. Mehr gerne per mail, ich muss das hier vertraulich behandeln, damit noch etwas für uns übrig bleibt … Wer hier genauer hinschaut, findet ihn aber.
Der von mir heißgeliebte Riesling übrigens, dieser diamantstrahlende, urmeermuschelkalkige, grünleuchtende Orpheus der Rebsorten, wird hier ebenfalls angebaut, hat aber aufgrund der Bodenstruktur einen völlig anderen Charakter, als Rieslinge aus der Pfalz, von Rhein, Mosel oder Saar. Meiner ganz persönliche Meinung nach ergänzen sich der Silvaner und der fränkische Boden besser, als das der Riesling tut, aber ich kann auch jeden verstehen, der genau hierfür eine Vorliebe hat und vielleicht den Rheingau-Riesling zu sauer findet.
Wie auch immer, Franken, seine Weine, seine Landschaften und seine freundlichen Menschen sind eine Reise wert. Geh kumm gämmer widder hi!
Brotzeit mit Kochkäse
Gang: BrotzeitKüche: Fränkisch-rustikalSchwierigkeit: Sehr einfach4
Portionen30
Minuten10
MinutenZum Kochkäse kann man kleingeschnittene Zwiebeln in Essig und Öl reichen, rote Zwiebelringe, daneben Radieschen, etwas Kräuterquark, eine Creme aus rotgeschmiertem Winzerkäse mit Zwiebeln, ein schönes Sauerteigbrot, Laugengebäck – alles was herzhaft und deftig ist, passt sehr gut dazu.
Zutaten
100 g Butter
250 g Harzer Roller
200 ml Schlagsahne
250 g Quark (20%)
optional: Kümmel nach Belieben
1 knappen TL Natronpulver
Zubereitung
- In der Sahne die Butter und den Harzer Roller bei mittlerer Hitze schmelzen lassen, dabei regelmäßig umrühren
- Aufkochen lassen, dann den Topf vom Herd nehmen
- Quark einrühren
- Wenn alles gut vermischt ist, einen knappen (!!) TL Natronpulver einrühren
- In ein Gefäß mit Deckel geben und 24 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen (man kann auch schon früher naschen). Achtung: die Masse vermehrt sich noch, unbedingt ein ausreichend großes Gefäß verwenden). An Gudn!