Stadt, Land, Fluss und Knöllchen

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Heute möchte ich ein Rezept für ein traditionelles Gericht aus der Gegend um Lyon vorstellen. Zuvor aber noch etwas über das wunderbare Rhône-Tal und das Département Drôme:
Die Drôme Provençale ist ein Gebiet, das sich zwischen Lyon im Norden und Montelimar im Süden befindet. Nach Osten hin geht es nach Savoyen in Richtungen Alpen, nach Westen hin wird es von der Ardèche begrenzt. Der nördliche Teil besitzt ein kontinentales Klima, der südliche ein mediterranes, dieser ist dann auch schon deutlich provençalisch geprägt und grenzt nach Süden an das Département Vaucluse. Wie so oft in Gebieten, in denen Wein angebaut wird, ist auch hier die Landschaft von Flüssen geprägt: Neben den kleineren Flüssen Drôme, der Namensgeberin des Gebietes, und Isère, die in den Savoyer Alpen entspringt, ist natürlich die Rhône, die in der Schweiz im Kanton Wallis entspringt, als Lebensader sehr bedeutend.

Alles fließt – La Rhône

Träge gleitet sie durch das Département, fast ein wenig schwerfällig; von Lyon aus folgen wir ihr vorbei an Orten, deren Namen den Weinverliebten geläufig sind und die ein ehrfürchtiges Strahlen in ihre Gesichter bringen.
Da ist zunächst die Côte Rôtie, der „gegrillte Hang“, der Name ist Programm, mit ihren köstlichen Rotweinen. Sodann Condrieu, ein Weißweingebiet – blumige Aromen aus einer Cuvée von verschiedenen Trauben wie Marsanne, Roussanne und Viognier dominieren hier die Weine – die Weinberge aufragend, mit einem grünhügeligen Nationalpark hinter sich. Südlich davon das größere Städtchen Tournon, von dem aus man den perfekten Blick auf das Heiligtum der Rhône-Wein-Liebhaber hat: den Weinberg Hermitage, Rotweine von würziger Dichte aus der Traube Syrah hervorbringend.

Der Eremit beschützt die Trauben

Das kleine Kapellchen auf dem oberen Drittel, Postkarten- und Instagram-Motiv, erwandert man von oben oder von unten; von dort hat man einen wunderbaren Blick auf Tournon im Westen und Tain L’Hermitage, das am östlichen Ufer der Rhône liegt (hier befindet sich übrigens auch die Zentrale der berühmten Schokolade Valrhona). Weiter südlich dann Cornas, Vacqueyras, mit sehr erdigen Weinen, dann Châteauneuf-du-Pape mit den großen, roten und weißen Cuvée-Weinen.
Überall in den Weinbergen, weithin zu sehen, die Wappen, Schriftzüge, Logos der berühmten Domaines: E. Guigal, Michel Chapoutier, Delas, Paul Jaboulet Aîné

Römer, Montblanc und ein Teil der Tour de France

Wir wohnen bei Valence, der Hauptstadt des Départements Drôme, etwas, was man in den gängigen Reiseführern – zu Unrecht – nur am Rande erwähnt findet, innerhalb der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Ein kleines, beschauliches Städtchen, relativ ruhig, ohne große Touristenströme, mit netten Cafés, Brasserien, dem üblichen, für unsere Augen traumhaften, Markt am Samstagmorgen und günstig gelegen für Ausflüge in das Umland: Grenoble mit Blick auf den Mont Blanc (wenn man Glück hat), Orange mit römischen Bauten, Avignon mit dem prächtigen Palais des Papes und die schon deutlich provençalische Landschaft um den Mont Ventoux (das El Dorado der Tour de France-Begeisterten) sind jeweils nur maximal eine Stunde entfernt.

Näher liegt ein spektakuläres Gebirgsmassiv, das Vercors, das man von Valence aus gesehen im Osten aufragen sieht, und das man über Romans, ein kleines Städtchen an der Isère, gut erreichen kann. Wir sind allerdings, nachdem wir den wuchtigen Tour de Crest, eine Burgruine, besichtigt hatten, von dem aus man einen weiten Blick nach Süden in Richtung Mont Ventoux hat, über verschiedene Pass-Straßen von Süden kommend in das Gebirge hinein gefahren.

Die dunkle Schwester der Alpen

Wunderschöne, dunkle Waldgebiete wechseln sich mit hellgrün rollenden Grasgebieten und Feldern ab, es gibt sehr viele Pass-Straßen, darunter den Col de la Bataille, von dem aus man einen wunderbaren Blick in einen weiten Talkessel hat und über einen angenehmen Weg zum Gipfel Tête de la Dame (Frauenkopf) wandern kann. Dort oben, auf den weichen Grasnarben ist so viel Ruhe, soviel Weite, so viel Grün, Blau und Weiß, dass die Seele einen tiefen Atemzug nimmt und man sich der Welt danach gänzlich neu und erfrischt zuwendet.
Die Ruhe ist allerdings erst einmal vorbei, als wir zum Col de la Bataille zurück laufen – inzwischen ist es früher Nachmittag und aus vielen Sträuchern am Wegesrand erschallt ein lautes, unheilvolles Zischen, wenn man vorübergeht: Schlangen. Unzählige.

Der Col de la Bataille (Pass der Schlacht) trägt seinen Namen, so lautet zumindest eine Deutung, deshalb, weil hier Winde aus Süden, wie der Mistral, und Winde aus Norden zusammentreffen und sich ein Gefecht liefern. Eine andere Deutung besagt, dass hier die Mönche zweier christlicher Klöster im dunklen Mittelalter um die Oberhoheit gekämpft haben, aber möchte man das glauben?

Schlachten oder Gefechte gab es im Massif de Vercors hingegen reichlich im zweiten Weltkrieg, da sich Anhänger der Résistance hierher zurückfezogen hatten (und ein sogenanntes Maquis, eine Kampf-Gruppe innerhalb der Résistance bildeten), da das Gebiet sehr einsam ist und viele Teile sehr schwer zugänglich sind. Es gibt hier heutzutage sehr viele Gedenkstätten, die an Gefechte zwischen Mitgliedern des Maquis du Vercors und Anhängern des Vichy-Regimes und den deutschen Besatzern erinnern.
Das Vercors ist aber vor allem geprägt von einer Vielzahl von tiefen Talkesseln, die von steil aufragenden, zerklüfteten Felswänden begrenzt werden, was ich in diesem Ausmaß noch nicht gesehen habe.
Ganz besonders eindrucksvoll, auf dem Weg aus dem Vercors heraus in Richtung Romans, ist der unglaublich weite Talkessel von Combe Laval. Die enge Straße, die in steiler Höhe daran entlang führt, ist sehr beliebt bei Radrenn- und Cabriofahrern und ganz besonders begehrt als das Highlight der Konfrontationstherapie bei Höhenängstlichen wie mir (es half hier allerdings nicht …).

Madame de Sévigné schrieb auch aus Grignan

Zu guter Letzt noch ein kurzer Abstecher von Valence aus in Richtung Süden: Das sehenswerte Château de Grignan soll nicht unerwähnt bleiben; südöstlich von Montélimar gelegen, bereits im 11. Jahrhundert erwähnt, von der Familie Adhémar erbaut, während der Revolution zerstört und Anfang des 20. Jahrhunderts von einer spendablen Bankierswitwe wieder aufgebaut, hat man von seiner großen Terrasse, die das Örtchen Grignan überragt, einen großartig weiten Blick über die Ebene der Drome bis zum Mont Ventoux. Madame de Sévigné, die große Briefeschreiberin und Zeitzeugin des französischen 17. Jahrhunderts, verbrachte einige Zeit in Grignan, hatte sie doch ihre Tochter Françoise-Marguerite, die Empfängerin ihrer berühmten Briefe, mit einem Adhémar verheiratet.

Knöllchen aus tollen Hechten

Nun aber endlich zum Diner!
In Lyon überall präsent und köstlich: Quenelles de brochet mit Sauce Nantua.
Ein herrliches Fischessen, allerdings handelt es sich im Grunde genommen um Knödel, der Gatte nennt sie auch verballhornt Knöllchen. Fischknödel. In Deutschland gibt es sie ansatzweise auch, hier Hechtklößchen genannt.

In Lyon werden sie mit einer Sauce, die aus Hummerfond und Béchamel-Basis besteht, serviert: der Sauce Nantua. Nantua ist ein Städtchen im Osten Frankreichs, Richtung Schweiz, zwischen Genf und Bourg-en-Bresse gelegen, im Département Auvergne Rhône Alpes. Wer auch immer die Idee hatte, die Fischknödelchen mit Sauce Nantua zu verbinden: Es war eine hervorragende Idee.
Dazu passt natürlich ein weißer Côte du Rhône oder ein weißer, vollmundiger Châteauneuf-du-Pape.

Noch ein kleiner Tip: wenn die Küche nach der Fischzubereitung riecht, verwendet die französische Hausfrau Papier d’Armenie. Kleine, mit Benzoe und z. B. Rosenduft getränkte Papierstreifen, die angezündet werden und die Luft von unangenehmen Gerüchen befreien.

Quenelles de Lyon in Sauce Nantua

Quenelles de Lyon in Sauce Nantua

Gang: HauptgerichtKüche: FranzösischSchwierigkeit: Etwas kompliziert 🙂
Portionen

6

Portionen
Vorbereitungszeit

2

Stunden 
Kochzeit

30

Minuten

Zutaten

  • Für die Quenelles
  • 400 g Weißfisch (Filet; z. B. Hecht, Kabeljau, Seelachs)

  • 125 g Mehl

  • 100 g Butter

  • 2 Eier

  • 250 ml Milch

  • 6 Eiweiß

  • 100 ml Crème fraîche

  • Muskat, weißer Pfeffer, Salz

  • Für die Sauce Nantua
  • 50 g Butter

  • 50 g Mehl

  • 300 ml Milch

  • 1 Glas Hummerfond

  • 1 Packung Bio Garnelen

  • 1 kleine Zwiebel

  • 80 ml Weißwein

Zubereitung

  • Zubereitung der Quenelles
  • Milch mit Butter und Muskat auf dem Herd erwärmen. Topf von der Herdplatte nehmen und Mehl hinzufügen. Mit einem Kochlöffel zu einem Teig rühren. 2 Eier getrennt hinzufügen und verrühren. Kalt stellen.
  • 200 g Fisch (in Stücke geschnitten), 100 g weiche Butter, 3 Eiweiß, 50 ml Crème fraîche, Salz und Pfeffer in einer Küchenmaschine oder einem Mixer für 1 Minute pürieren, dann die Hälfte des Teiges hinzufügen, eine weitere Minute pürieren. In eine Schüssel geben und auf Eis stellen (oder ins Gefrierfach).
  • Das Ganze mit der anderen Hälfte der Zutaten wiederholen, dann den Teig komplett vermischen und kalt stellen.
  • Nun entweder mit kalten (!!) Löffeln Klößchen formen oder längliche Klößchen in Küchenfolie wickeln (wie in Bonbonpapier). Die Klößchen vorsichtig in einen großen Topf mit siedendem Salzwasser geben und mindestens 20 Minuten ziehen lassen – wenn sie sehr groß sind, eher länger. Achtung: der Teig muss wirklich sehr kalt sein, ansonsten fallen sie auseinander (was sie leider trotzdem oftmals tun). Fertig gegart sind sie, wenn sie dunkelgelb werden und eine feste Konsistenz angenommen haben.
  • Zubereitung der Sauce Nantua
  • 50 g Butter in einem Topf erwärmen, keinesfalls braun werden lassen
  • 50 g Mehl dazugeben und in der Butter zu einer Roux verrühren (Mehlschwitze).
  • Die angewärmte Milch nach und nach dazugeben, so dass eine sämige Sauce entsteht. Salzen und Pfeffern, Muskat dazugeben. Dies ist eine klassische Béchamel-Sauce.
  • Zwiebel klein hacken und in etwas Butter andünsten
  • Gewaschene Garnelen hinzugeben und kurz mit dünsten
  • Mit dem Weißwein ablöschen und Hummerfond hinzufügen
  • Kurz aufkochen lassen, dann Hitze reduzieren
  • Nach und nach die gewünschte Menge der Béchamel-Sauce hinzufügen
  • Nochmals nach Belieben würzen; man kann z. B. etwas Paprika oder Piment d’Espelette hinzufügen
  • Grande Finale
  • Den Boden einer Auflaufform mit Sauce Nantua bedecken, Quenelles hinzufügen, mit Sauce Nantua übergießen und im Backofen bei 180 Grad ca. 15 Minuten überbacken.
  • Mit Reis und grünem Salat oder Spinat servieren. Bon appetit!