Nizza, Pizza und Béatrices’ Zitrönchen

Südfrankreich ist für mich, für uns, etwas sehr Besonderes. Der große Süden im Allgemeinen ist grossartig, und natürlich mögen wir Italien, wer tut das nicht, Spanien ist toll, Cordoba, Sevilla, die Alhambra, Portugal, Zypern – das ist alles wunderschön, aber berührt uns nicht derartig tief im Herzen, wie der Süden Frankreichs es tut.

Die Côte d’Azur, die Provence, das Languedoc, das Roussillon, für mich: Das ist überströmendes Glücksgefühl pur – schon allein den Schriftzug „Nice Côte d‘Azur“ auf dem Flughafengebäude zu sehen, erzeugt ein fröhliches, prickelndes Gefühl in meiner Seele.

Gleißendes Licht, kristallklar, dunstfrei

Das ist das erste, was mir auffällt, wenn ich nach Nizza komme. Im Sommer flirrt natürlich die Hitze, im Winter aber, bei angenehmen Temperaturen um die 18 Grad, ist alles klar und leuchtend und strahlend.

Viele Engländer flohen schon seit dem achtzehnten Jahrhundert vor dem Londoner Nieselregen im Winter nach Nizza – deshalb der Name der Promenade des Anglais, die sich über Kilometer hinweg dicht an den Saum des Meeres schmiegt. La Prom: Hier kann ich tagelang auf den himmelblauen Stühlen sitzen, den Menschen beim Flanieren zuschauen, am Strand liegen (wo man direkt auf den Kieseln auch essen kann, es gibt Bars und Restaurants) und über die Bucht schauen. Über der auch die Flugzeuge starten, welche die Bemitleidenswerten hinfort tragen, die die Stadt schon wieder verlassen müssen.

Die Farben der Vieille Ville, der Altstadt von Nizza, ockergelb, hellblau, terracotta, altrosa – sie spiegeln quasi die Landschaft wider, die Erde, den Himmel, die Sonne.

Nizza liegt an der großen, sanft geschwungenen Baie des Anges, der Bucht der Engel, und das sagt eigentlich schon alles. Nissa la bella.

Nizza liegt an der südfranzösischen Mittelmeerküste inmitten einer Perlenkette von Städtchen, deren Namen man im Zusammenhang mit Jet Set, Reichtum, Film, Stars und Sternchen, Brigitte Bardot und Gunter Sachs schon oft gelesen hat: 10 Kilometer östlich liegt Monaco, dazwischen Menton mit seiner Fête du Citron (Ende Februar – alles, wirklich alles, wird aus Zitronen nachgebildet, es gelbt allerorten), das kleine Dörfchen auf steilem Berg Èze und das hübsche Villefranche.

Fünfzehn Kilometer westlich: Antibes, Juan-les-Pins; weitere zehn: Cannes. Rund achtzig Kilometer dann doch in Richtung Westen: St Tropez. Mondäne Badeorte, Häfen mit Yachten, Kunst (Picasso, Matisse) aber immer eben auch das originale, okzitanische, leuchtende Leben voller Esprit und Lebenslust.

Süßes und Würziges – Schlemmereien im französischen Midi

Aber zum eigentlich Thema dieses Blogs, den kulinarischen Köstlichkeiten zurück, denn davon hat die Gegend hier nicht wenig zu bieten. Vier davon möchte ich herausgreifen.

Nummer Eins: Bankiers, Gärten und Tarte au Citron

Die Nummer Eins finden wir auf der Villefranche vorgelagerten Halbinsel St Jean Cap Ferrat. In der Mitte liegt die Villa von Baroness Béatrice Éphrussi de Rothschild, die gleichnamige Villa Éphrussi. Rosa-weiß, wie aus Zuckerguss, liegt sie inmitten eines schönen Gartens mit Wasserorgel, verschiedenen Themengärtlein, klassizistisch mit einem Schuss Orientalistik – und einem hübschen Tea-Room. Béatrice hatte sich nach der Scheidung von ihrem spielsüchtigen Bankiersgatten, Maurice Éphrussi, hierher zurückgezogen, selbst aus der reichen Bankier-Familie Rothschild stammend, besaß sie ausreichend finanziellen Hintergrund, um die Villa mit allem auszustatten, was ihr Herz höherschlagen ließ. Der arme Maurice blieb aussen vor, versteht sich.

Im Tea-Room, wo man mit atemberaubender Aussicht auf die Bucht von Villefranche darauf wartet, von schwarz-livrierten Kellnern platziert zu werden, gibt es die allerhimmlischste Tarte au Citron, die ich jemals gekostet habe. Eine zartgelbe, sanft zitronige Crème von zartester Konsistenz, in einem kleinen Schiffchen aus leise knisterndem Mürbeteig, bedeckt von einer französischen Meringue (bei uns kennt man das eher als Baiser), außen leicht angebräunt, innen weich und so gerade nicht mehr verlaufend, parfait. Unerreicht. Merci Béatrice.

Nummer Zwei: Aus dem Meer frisch aufs Plateau

Ist man wieder zurück in Nizza – vielleicht mit dem Bus aus Villefranche gekommen, der vor dem Musee d’Art Moderne MAMAC hält – dann ist es nicht weit zur Place Garibaldi mit einer Statue des Namensgebers. Hier, hinter dem Rücken des großen Republikaners, befindet sich das Café de Turin. Hierhin geht man, wenn man ein frisches, großes, gut und abwechslungsreich bestücktes Plateau de Fruits de Mer genießen möchte. HIER gibt es ein Rezept und weitere Ausführungen dazu.

Es empfiehlt sich ganz unbedingt, hier zu reservieren. Und selbst dann sitzt man vor seinen Austern, Seeigeln, Langusten und Crevetten arg gequetscht, oft neben einer älteren Französin, die über Stunden lediglich einen Café an die spitzen Lippen führt (was man als Tourist niemals dürfte) und fühlt sich selbst wie eine Meeresfrucht beziehungsweise wie die Sardine in der Dose. Großartig! Und wenn man sehr grosses Glück hat, sitzt am Nebentisch ein distinguierter, grauhaariger, eleganter Herr, der mit einem Freund ein Glas Wein trinkt, die wachsamen Augen überall hat, das Gespräch belauscht, sich darüber freut, dass Deutsche rohe Seeigel zu sich nehmen und dann nur kurz und très charmant sagt: Ah, vous etes Allemands? Je suis le proprietaire ici … Und dann dem garcon winkt, um uns noch ein Glas Wein auf Kosten des Hauses einschenken zu lassen …

Nummer Drei: Kichernde Erbsen kullern in den Pfannkuchen

Schlendern wir über den Weihnachtsmarkt von Nizza, der auf der großen Place Masséna stattfindet, mit Riesenrad, Ochs, Esel und Schafen, dem Weihnachtsmann und Verkaufsständen mit Kunsthandwerk, Honig aus dem Hinterland, Seifen, Schmuck, Wolle. Irgendwann bekommt man Appetit, möchte aber noch nicht zum Diner gehen. Für diesen Fall und für alle anderen gibt es die Socca, eine Art Pfannkuchen aus Kichererbsenmehl, der in großen, schwarz-brandigen Pfannen über offenem Feuer gebacken wird. Würzig, knusprig, leicht fettig. Das Ganze wird in Streifen geschnitten, man erhält es auf einem Papptellerchen und setzt sich damit auf eine der Bänke auf der schönen Place Albert 1er oder an der Promenade de Paillon mit ihren Wasserspielen. Mein liebster Schwiegervater absentierte sich später gern, um still und heimlich eine zweite und dritte Portion zu naschen.  Zuhause ist die Zubereitung schwierig, da die patinierten Pfannen der Socca eine einzigartig krosse Bräunung verleihen, die man nur schwer ersetzen kann. Also: auf nach Nizza! Viva La Socca!

Nummer Vier: Nizzapizza

Wandern wir nun auf La Prom weiter in Richtung Colline du Chateau, dem Hügel, auf dem sich die Überreste der alten Festung und die sehenswerten, großen Friedhöfe (christlich und jüdisch) befinden, über den (heutzutage sehr touristischen) Blumenmarkt auf dem Cours Saleya, durch die enge Altstadt zurück zur Place Garibaldi und wenden uns nochmals dem Café de Turin zu. Denn hier gibt es einen Stand, an dem man etwas zum Mitnehmen kaufen kann, das wie Pizza aussieht. Und das ist es auch irgendwie: Pissaladière. Das Wort Pizza klingt hier an, und Italien ist hier ja auch nicht weit (35 Kilometer bis zur Grenze).

Tomaten und Käse sucht man hier allerdings bei der „offiziellen“ Version vergeblich, vielmehr ist die Pissaladière ein Zwiebelkuchen, gekrönt von schwarzen Oliven und Anchovis. Die zuvor leicht gedünsteten Zwiebeln geben eine zarte Süße, die bitter-cremigen Oliven und die salzigen Anchovis sorgen für das gewisse Etwas. Der knusprige, dünne Hefeteig mildert die starken Aromen ein wenig ab.

Pissaladière kann man sehr einfach zuhause machen, einen schönen, kühlen Rosé – am besten einen Bellet aus der Gegend oder einen Bandol – dazu trinken, die Augen schließen und von der Côte träumen. Bei der Pissaladière, die auf dem Foto abgebildet ist, habe ich etwas Tomatenmark an die Zwiebeln gegeben.

In einem der nächsten Posts wird es noch einmal um Südfrankreich gehen, denn es gibt noch so viel zu erzählen – wir werden dann in Richtung Westen weiterziehen, in Richtung Perpignan, und das alte Okzitanien ein wenig aufleben lassen. Au revoir!

Pissaladière

Pissaladière

Gang: HauptgerichtKüche: SüdfrankreichSchwierigkeit: Leicht
Portionen

4

Portionen
Vorbereitungszeit

3

Stunden 
Kochzeit

30

Minuten

Zutaten

  • 1 kg weisse Zwiebeln

  • 300 g Mehl (Typ 550)

  • 30 ml Olivenöl

  • 1 Glas eingelegte Sardellen (Anchovis)

  • Schwarze Oliven mit Stein

  • 1 halber Würfel Hefe, 1 halber EL Salz, OLivenöl zum Anschwitzen der Zwiebeln, Salz, Pfeffer

  • 120 ml Wasser

Zubereitung

  • Mehl und Salz mischen, Hefe in Wasser auflösen, 30 ml Olivenöl zum Mehl geben, danach Hefewasser dazugeben. Mit dem Löffel umrühren, danach mit den Händen kneten, bis sich ein glatter, elastischer Teig ergibt. Wer möchte, gibt noch etwas getrockneten Thymian in den Teig. Danach den Teig an einem warmen Ort mindestens eine halbe Stunde gehen lassen, das ist aber das absolute Minimum.
  • Zwiebeln schälen, halbieren, die Hälften in schmale Streifen schneiden. In Olivenöl anschwitzen und ca. 10 Minuten bei mittlerer Hitze braten – sie dürfen nicht braun werden. Salzen, pfeffern. Etwas abkühlen lassen.
  • Den Teig ausrollen und auf ein Backblech geben. Mit den Zwiebeln belegen, darauf die Sardellenfilets (ggf. halbieren) und die Oliven verteilen. Die Sardellenfilets evtl. vorher mit Wasser abspülen – sie könnten ansonsten zu salzig sein.
  • 35 Minuten bei 200 g Umluft backen. Servieren. Bon appetit!