Ein Flügelstreif auf der Zunge

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Hier möchte ich wieder mit einer Erinnerung an Frankreich beginnen. Sommer, Hitze, Burgund. Rotwein-Proben bei 35 Grad im Schatten sind nicht unbedingt ein Vergnügen, auch wenn sie „Élegance des Volnay“ heißen, direkt in den burgundischen Weinbergen und unter einem Zeltdach stattfinden und es köstliche kleine Käsegebäckstückchen (Gougères) dazu gibt. Ok. Doch. Vergnügen durchaus.

Aber: Es gibt ja ganz in der Nähe, wenn man durch den dunkel-düsteren Morvan-Nationalpark fährt, ein wunderbares Weißwein-Gebiet: Chablis.

Diese Weine sind sehr trocken – wer gerne Fruchtiges oder gar süße Noten im Wein mag, wird hier nicht glücklich. Aber der wunderbare Chardonnay entfaltet hier sein ganzes, mineralisches Feuerwerk. Dazu sollte man wissen, dass die Appelation Chablis in einem Sedimentbecken liegt, das zu Urzeiten überflutet war und der Boden im Chablis zu einem großen Teil aus Fossilien (Muscheln) besteht. Diese Schicht, die sich im sogenannten Kimmeridge-Zeitalter (vor knappen 157 Millionen Jahren – das ist jung, wenn man auf das Archaikum, die Erd-Urzeit, schaut, das vor rd. 4000 Millionen Jahren begann) gebildet hat, sorgt für die köstlich fettig-salzig mineralische Note im Wein.

Und so passt Chablis natürlich wundervoll zu Fisch und Meeresfrüchten.

Dorf und Wein, Chablis mon amour

Noch einmal kurz zurück zu Hitze, Sommer, Abstecher aus Burgund: Wir sind in einem hübschen Hotel untergekommen und gehen auf der Suche nach einem Ort für unser Abendessen durch das Dörfchen, denn mehr ist Chablis tatsächlich nicht, aber eben ein französisches Dörfchen. Zunächst sitzen wir an dem kleinen Fluss Serein mit seinem wunderbar üppigen Blumenschmuck, der am Geländer der Uferbefestigung angebracht ist, in der Abendsonne und genießen die leichte Luft. Dann betreten wir ein kleines Bistro, ganz spartanisch eingerichtet, aber mit großem, vielversprechend aussehendem Wein-Kühlschrank.

Wir bestellen Raie und einen Chablis Fourchaume, einen Premier Cru. Der Raie kommt mit zerlassener Meersalzbutter und Mandelscheibchen, gebratenen Kartoffeln und grünen Bohnen. Die Flasche Fourchaume ist beschlagen – der kühle Chablis und der köstliche Raie tanzen einen Pas de Deux auf der Zunge. Gerade der so trockene Wein erhebt das stark eiweißhaltige Fleisch mit seiner zarten Würzigkeit zu höchster Finesse.

Best of Knorpelfisch

Und was ist nun eigentlich Raie? Sehr populär in französischen Bistros: Rochenflügel. Und wenn man sieht, wie Rochen sich durch das Wasser bewegen, versteht man, warum das Knorpelgerüst des gebratenen Flügels in alle Richtungen beweglich ist. Das kann etwas mühsam beim Essen sein, insbesondere die Vielzahl der kleinen, gelenkartigen Knötchen – der Geschmack entschädigt dafür aber bei weitem. Und das Beste: Rochen hat keine Gräten.

Einen Durchmesser von stolzen 7 Metern können diese Tiere erreichen, die zur Gattung der Knorpelfische (wie z. B. auch Haie) gehören. Die typischen wellenförmigen Bewegungen, die sie mit ihren Brustflossen vollführen, nennt man Undulieren. Bestimmte Unterarten benutzen ihre Flossen aber auch wie Flügel. Es gibt die großen Mantas, die erwiesenermaßen sozial interagieren und untereinander Freundschaften schließen, und die kleinen Igelrochen, die nur um die 50 cm groß werden.

Viele Aquarien beherbergen Rochen – haben Sie da schon einmal genau hingeschaut? Gelegentlich gibt es ein Streichelbecken, und die Tiere scheinen das tatsächlich zu genießen. Schön auch die weiße Unterseite der Tiere: Hier befinden sich der Mund und fünf Kiemenspalten sowie die Nasenlöcher. Letztere könnte man für Augen halten, so dass man den Eindruck eines leicht süffisant, aber freundlich grinsenden Außerirdischen bekommt, der offensichtlich den Schalk im Nacken hat. Allzusehr kann man auf die vermeintliche Freundlichkeit nicht bauen, denn wenn sich die Tiere erschrecken oder bedroht fühlen, wehren sie sich mit ihrem Stachel, was unter Umständen sehr böse, ja sogar tödlich ausgehen kann.

Zum Verzehr kommt in unseren Gefilden hauptsächlich der Nagelrochen, der durchschnittlich um die 9 kg wiegt und vor allem in der Nordsee und im Atlantik vorkommt.

Wir haben den Rochen vorbestellt und bereits enthäutet und filetiert bekommen.

Rezept und kurzer Abstecher: Gehen Sie über Rot

Alors, hier das nachgebaute Rezept aus Chablis (allein, ich bekomme das NIE so hin wie der Koch vor Ort). Ganz wichtig ist dabei: ganz frisch! muss er sein, das rohe Fleisch muss glasig aussehen. Und er verträgt keine hohen Temperaturen beim Braten. Üblicherweise wird Rochen in Frankreich mit einer Kapernsauce serviert, wir haben aber hier das Rezept aus Chablis nachgekocht.

Halt, haben wir noch Zeit für einen kurzen Abstecher?

Chablis ist gleich Weißwein. Prinzipiell schon, aber direkt daneben, in südwestlicher Richtung, liegt das kleine Anbaugebiet Irancy, hier wird sozusagen roter Chablis produziert. Es handelt sich hier, wie bei den großen roten Weinen in der Cote d’Or, um die Traube Pinot Noir. Ein Irancy ist aber viel schlanker und mineralischer als seine großen Verwandten in Burgund. Dazu aber auch sehr viel preiswerter. Unbedingt probieren!

Nun aber endlich zum Rezept. Als Weinbegleitung empfehle ich dazu – natürlich – einen Chablis; es gibt z. B. einen sehr schönen, preisgünstigen von der Winzergenossenschaft La Chablisienne, genannt „La Sereine“. Noch besser passt hier aber tatsächlich der schon oben genannte 1er Cru aus der Lage „Fourchaume“, der sehr cremig ist und eine eher zarte Säure besitzt. Spannend dabei: Die Domaine de Montille ist eigentlich bekannt für ihre großartigen Rotweine aus Volnay, Burgund und der ehemalige Patriarch, Hubert de Montille, leider 2014 verstorben, spielt eine wichtige Rolle im Film „Mondovino“, der absolut sehenswert ist. Heute wird die Domaine von seinen Kindern Alix und Etienne de Montille, les Deux Montilles, geführt.

Gebratener Rochenflügel mit Mandelbutter

Gebratener Rochenflügel mit Mandelbutter

Gang: HauptgerichtKüche: FranzösischSchwierigkeit: Anspruchsvoll
Portionen

4

Portionen
Vorbereitungszeit

30

Minuten
Kochzeit

45

Minuten

Zutaten

  • 800 g Rochenflügel, gehäutet und filetiert

  • 100 g Meersalzbutter

  • 2 EL Mandelblättchen (Gehobelte Mandeln)

  • 1 kg kleine Kartoffeln, festkochend

  • 1 Bund grüner Spargel

  • Olivenöl

  • Salz, schwarzer Pfeffer

Zubereitung

  • Kartoffeln waschen, abtrocknen und sehr vorsichtig eng einschneiden, so dass sich eine Art Fächer ergibt (nicht zu tief schneiden, die Kartoffeln am besten in der Hand halten oder in einen Löffel legen).
  • Kartoffeln in eine Auflaufform geben, mit Olivenöl beträufeln und mit grobem Meersalz bestreuen, dann bei 220 Grad im Backofen ca. 20 Minuten garen (je nach gewünschtem Bräunungsgrad)
  • Grünen Spargel waschen, die harten Enden abschneiden und ebenfalls in eine Auflaufform geben, etwas Olivenöl darüberträufeln und etwas grobes Meersalz darübergeben. Zu den Kartoffeln in den Backofen geben, aber nur rd. 15 Minuten – je nach Dicke – garen lassen. Fertigen Spargel und Kartoffeln warm stellen.
  • Fisch abwaschen, trocknen und auf jeder Seite (sparsam) salzen und pfeffern.
  • In einer Pfanne rd. 2 EL Meersalzbutter erhitzen, wichtig: bei mittlerer Hitze, die Butter soll noch nicht braun werden!
  • Die Fischstücke hineingeben und langsam bei mittlerer Hitze braten, was je nach Dicke 5 – 10 Minuten dauert. Zwischendurch wenden.
  • Wenn der Fisch gar ist, aus der Pfanne nehmen und bei 50 Grad im Backofen warm stellen.
  • Im Bratensatz nochmals 2 EL Meersalzbutter erhitzen und die Hitze etwas hochschalten, so dass die Butter leicht (!) bräunt. Die Mandelblättchen dazugeben und gut in der Butter wenden.
  • Fisch, Kartoffeln und Spargel auf Tellern anrichten, flüssige Butter mit Mandelblättchen über den Fisch geben. Bon appetit!