Örtliche Fleischeslust

Mein Lehrer für Italienisch, Luca, war (oder hoffentlich: ist) ein schmalbrüstiger, asketischer Gelehrtentypus und man hätte ihn auf den ersten Blick nicht mit genußvollem Essen in Verbindung gebracht. Diese Annahme war aber grundverkehrt.

Dazu ein kleiner Schlenker: Ich erinnere mich an eine Autofahrt von Siena nach Florenz, wir mussten eilig zum Flughafen, da das geschäftliche Meeting aufgrund eines auf das heftigste ausgeuferten Mittagessens und eines ebenso ausgeuferten, zusätzlichen Nachtisches, bestehend aus einer riesigen Platte kleiner, hausgemachter Mozzarelline, unsere Zeitplanung komplett durcheinandergewirbelt hatten.

Meine Oliven, Deine Oliven

Also brachte uns der Chauffeur der firmenbesitzenden Dottoressa zusammen mit einem Kollegen, der vorne auf dem Beifahrerseitz saß, zum Flughafen Firenze Peretola. Es musste schnell gehen und die Fahrweise war dementsprechend, aber das ist eine andere Geschichte.
Die beiden Männer unterhielten sich, sehr leidenschaftlich, mit feurigen Blicken, sehr laut, mit sehr vielen, raumgreifenden Gesten über etwas, was ich zunächst nicht verstand, dann für ein Gespräch über Frauen hielt – aber weit gefehlt. Nachdem ich mich eingehört hatte, verstand ich: Es ging um die Olivenbäume des Chauffeurs und um das eigene, selbstgepresste Öl. Es konnte natürlich weit und breit kein Besseres geben, basta, da gibt es eigentlich keine Diskussion. Daneben ging es noch um die beste Zubereitung für Pici Cacia e Pepe, ein ähnliches Rezept gibt es hier mit Taleggio. Aber natürlich werde ich niemals an diese beste aller Zubereitungen heranreichen.

Bratwurst auf höchstem Niveau

Also: Italiener und Essen – das ist eine ganz besondere Paarung.
Zurück zu Luca: Seine Augen fingen an zu strahlen, wenn er von einer bestimmten Pizzeria in der Stadt erzählte. Und sein asketischer Habitus brach komplett in sich zusammen, wenn er – nicht von Pizza, nein – sondern von Salsiccia erzählte. In dieser Pizzeria gab es die einzig gute, köstliche, überirdische, göttliche Salsiccia, die in Berlin zu haben war.
Ich hatte diesen Begriff noch nie gehört (bitte, das ist Jahre her, wohlgemerkt) und fragte ihn, was dies denn sei. Wurst. Ok, dachte ich, wir können ja mal schauen, ob wir das irgendwo finden. Taten wir nicht, denn damals war Berlin eine Salsiccia-Wüste.
Fast forward: Wir sind in Italien, von Todi habe ich hier schon erzählt. Auf der Speisekarte eines eher durchschnittlichen Restaurants, das wir nur aufsuchten, weil alle anderen voll besetzt waren: Salsiccia. Con irgendwas, das erinnere ich nicht mehr.
Ah, der Padrone reicht uns die deutsche Karte (wie peinlich). Unter dem Punkt „Salsiccia“ steht: „Örtliche Bratwurst“. Das erscheint uns doch ein etwas größeres Understatement zu sein, gänzlich ungewohnt für Italien. Und scheinbar so gar nicht passend zu Lucas Begeisterung.
Nun ja, wir probieren. Und unsere Augen beginnen ebenso zu strahlen, wie Lucas Augen damals. Grazie, per tutto, Luca.

Salsiccia ist eine Diva

Am feinsten ist Salsiccia meiner Meinung nach, wenn sie die Hauptrolle spielt – sie ist eine Diva im besten Sinne des Wortes und mag nicht in der Konkurrenz untergehen. Im Ganzen gebraten wird sie eher nicht, zumindest habe ich das noch nicht gesehen. Stattdessen werden kleine Stückchen auf die Pizza (auf der sonst nicht viel ist) oder in die Pasta (dito) gegeben. Es gibt Salsiccia, die kleine Fenchelsamen enthält oder mit Peperoni gewürzt ist, aber auch Salsiccia pur. Die Qualität ist natürlich auch hier sehr unterschiedlich: Die Frische aus unserem italienischen Supermarkt ist deutlich schmackhafter, als die, die man eingeschweißt im normalen Supermarkt bekommt. Aber wenn man eben nur die Letztere zur Hand hat – danke Corona – ist auch diese eine köstliche Freude.
Hier ein Rezept mit sanft-bitterem Radicchio und ein paar Shiitake Pilzen.
Am liebsten trinken wir dazu einen – ja – Chianti, aber auch ein weißer Verdicchio ist sehr lecker.

Spaghetti mit Salsiccia und Radicchio

Spaghetti mit Salsiccia und Radicchio

Gang: Pasta / HauptgerichtKüche: ItalienischSchwierigkeit: Einfach
Portionen

4

Portionen
Vorbereitungszeit

15

Minuten
Kochzeit

30

Minuten

Zutaten

  • 500 g Spaghetti

  • 1 Radicchio

  • 150 g Shiitake (optional)

  • 300 g Salsiccia Fenocchio (mit Fenchelsamen)

  • 1 große Schalotte

  • 2 Zehen Knoblauch

  • Olivenöl, Salz, Pfeffer

  • Parmigiano Reggiano

Zubereitung

  • Shiitake in Streifen schneiden und in etwas Olivenöl braten, leicht salzen und pfeffern, beiseite stellen.
  • Schalotte schälen und klein hacken, Knoblauch schälen und ebenfalls klein hacken.
  • Radicchio säubern, vierteln, Strunk entfernen, in mundgerechte Stücke (bitte nicht zu klein) schneiden.
  • Salsiccia enthäuten und in kleine Stücke schneiden.
  • Schalotte und Knoblauch in Olivenöl andünsten, dann den Radicchio dazugeben und unter Rühren bei mittlerer Hitze braten, bis er weich, aber noch bissig ist. Salzen und Pfeffern (mit Salz bitte vorsichtig sein, da das Kochwasser der Spaghetti noch hinzukommt).
  • Salsiccia in Olivenöl braten, bis sie leicht gebräunt ist, dann die Shiitake und den Radicchio dazugeben, beiseite stellen.
  • Spaghetti al dente kochen, ca. 4 Kellen des Kochwassers vor dem Abgießen der Salsiccia/Radicchio-Mischung beifügen und nochmals kurz aufkochen.
  • Spaghetti abtropfen lassen und zur Salsiccia hinzugeben, gut durchmischen. Auf Tellern anrichten und nach Belieben mit Parmigiano bestreuen.